Studium EKIW ®

Lichtblick Nr. 13 (November 2008)

Die glücklichen Träume des Heiligen Geistes - Zur Ewigkeit erwachen

Gloria und Kenneth Wapnick

Wenn auch der Begriff glücklicher Traum in Ein Kurs in Wundern relativ selten verwendet wird, so ist er dennoch ein außerordentlich wichtiger Begriff und nimmt in der Theorie und der Praxis des Kurses einen entscheidenden Platz ein. Leider wird er von Kursschülern häufig völlig falsch verstanden. Diese Missverständnisse stehen in einem direkten Zusammenhang mit den Ansichten der Schüler über das Wesen des Traums, darüber, wer der Träumer ist, was das Wesen der Wirklichkeit ist und worin das mittelfristige und letztendliche Ziel von Ein Kurs in Wundern besteht. Wir beginnen mit einer Definition des glücklichen Traums aus dem Glossar zu Ein Kurs in Wundern:

[Der glückliche Traum ist] die Berichtigung des Heiligen Geistes für den Egotraum des Schmerzes und des Leidens. Obwohl der glückliche Traum auch eine Illusion ist, führt er uns über alle anderen Illusionen hinaus zur Wahrheit, er ist der Traum der Vergebung, in dem wir schließlich die wirkliche Welt sehen und die Erlösung finden (Kenneth Wapnick, Glossar zu Ein Kurs in Wundern, Greuthof Verlag, Gutach 1995, S. 63).

Da er ein Traum ist, findet der glückliche Traum nur im gespaltenen oder getrennten Geist statt, der im Prinzip aus drei Teilen besteht: dem falschgesinnten Geist, der das Denksystem von Sünde, Schuld und Angst enthält – die Egoalbträume der Trennung und der Besonderheit –; dem rechtgesinnten Geist, dem Heim des Heiligen Geistes, der Vergebung und des glücklichen Traums; und dem Entscheider, unserer Bezeichnung für den Teil des Geistes, der zwischen den beiden einander ausschließenden Denksystemen des Ego und des Heiligen Geistes wählt. Dieser Entscheider ist im Übrigen das eigentliche »Du«, an das Jesus sich durchgängig in Ein Kurs in Wundern wendet, selbst wenn die meisten Leser zwangsläufig denken, dass er die Figur im Traum anspricht, für die sie sich halten: das psychophysische Selbst, das einen Namen, eine Persönlichkeit und ein Geburtsdatum hat.

Wie Jesus im Textbuch erläutert, unterscheiden sich die Wachträume, die unsere Erfahrungen in der getrennten Welt bilden, nicht von den nächtlichen Schlafträumen:

... das, wozu du zu erwachen scheinst, ist nur eine andere Form derselben Welt, die du in Träumen siehst. Du verbringst deine gesamte Zeit mit Träumen. Deine Schlaf- und deine Wachträume haben verschiedene Formen, das ist alles. Ihr Inhalt [der Wunsch, die Wirklichkeit zu verändern] ist derselbe (T-18.II.5:11-14).

Das ganze Geschehen, wie wirklich es auch innerhalb des Traums erscheinen mag, findet ausschließlich im Geist des Träumers oder Entscheiders statt. Der Gedanke der Trennung wird anschließend aus dem Geist des Träumers hinausprojiziert, der, um noch einmal auf diesen wichtigen Punkt hinzuweisen, identisch mit dem Entscheider und dem »Du« ist, zu dem Jesus in Ein Kurs in Wundern ständig spricht. Indem der Geist sein wahnsinniges Denken projiziert, bringt er eine äußere Welt (Traum) hervor, die dann als Wirklichkeit wahrgenommen und erfahren wird, die unabhängig und getrennt vom Geist (Träumer) besteht, obwohl diese Traumwelt ihre Quelle im Geist in Wahrheit niemals verlassen hat. Dieser zentrale Grundsatz wird im Kurs viele Male formuliert. Wir zitieren hier lediglich zwei Stellen:

Es gibt keine von deinen Ideen unabhängige Welt, weil Ideen ihre Quelle nicht verlassen und du die Welt in deinem eigenen Geist gedanklich aufrechterhältst (Ü-1.132.10:3).

Die Welt ist falsche Wahrnehmung. Sie ist aus dem Irrtum geboren und hat ihre Quelle nicht verlassen. Sie wird nicht länger bleiben, als der Gedanke [der Trennung], der sie gebar, gehegt wird (Ü-II.3.1:1-3).

Und so kann der Irrtum der Trennung im Geist und nur im Geist berichtigt und aufgehoben werden. Es ist daher außerordentlich wichtig zu begreifen, dass die glücklichen Träume der Berichtigung des Heiligen Geistes überhaupt nichts mit den Wirkungen des Traums zu tun haben, wie sie der Träumer erlebt, der lediglich vergessen hat, dass er schläft und träumt. Die Ursache des Traums liegt im Geist, und da Ursache und Wirkung, wie in Ein Kurs in Wundern wiederholt gesagt wird, niemals getrennt voneinander sind, heißt das, dass die eigentlichen Wirkungen des Traums sich ebenfalls im Geist befinden. So können wir den glücklichen Traum also als den Gedanken verstehen, mit dem der Heilige Geistes die Albträume der Trennung, des Urteilens und der Besonderheit im Geist des schlafenden Sohnes berichtigt. Mit dem Wesen dieser Berichtigung möchten wir uns in diesem Artikel befassen.

Die Erfahrung der Menschen in dieser Welt als Figuren im Traum besteht – selbst wenn es ihnen nicht bewusst ist – in einem überwältigenden Gefühl von Schmerz und Fremdheit, da sie auf irgendeiner Ebene wissen, dass diese Welt nicht ihr Zuhause ist. Doch haben sie keine Erinnerung daran, wo ihr wahres Zuhause liegt, ganz zu schweigen davon, wie sie dorthin zurückkehren können. Jesus beschreibt diesen furchtbaren Zustand der Entfremdung in der ergreifenden Übungsbuchlektion »Ich will einen Augenblick lang still sein und nach Hause gehen«:

Diese Welt, in der du zu leben scheinst, ist nicht dein Zuhause. Und irgendwo in deinem Geist erkennst du, dass das wahr ist. Eine Erinnerung an zu Hause hört nicht auf, dich heimzusuchen, als gebe es einen Ort, der dich zur Rückkehr riefe, obschon du weder die Stimme wiedererkennst noch woran die Stimme dich erinnert. Und dennoch fühlst du dich hier wie ein Fremder von wer weiß woher. Es ist nichts Eindeutiges, sodass du mit Bestimmtheit sagen könntest, dass du hier ein Verbannter bist. Da ist nur ein beharrliches Gefühl, manchmal nicht mehr als ein winzig kleines Pochen, zu anderen Zeiten kaum erinnert und aktiv abgetan, das aber sicherlich dir wieder in den Sinn kommt.

Es gibt niemanden, der nicht wüsste, wovon wir sprechen. Doch einige versuchen, ihr Leiden in Spielen wegzulegen, die sie spielen, um ihre Zeit zu füllen und ihre Trauer von sich fern zu halten. Andere verleugnen, dass sie traurig sind, und sehen ihre Tränen gar nicht ... Wir sprechen heute für jeden, der auf dieser Erde wandelt, denn er ist nicht zu Hause (Ü-I.182.l:1-2:3; 3:1).

Fast instinktiv sehnen sich die Menschen danach, dem Schmerz, den sie empfinden, ein Ende zu setzen. Und so ist eine glücklichere, schmerzfreie Erfahrung innerhalb des Traums, den sie ihr Leben nennen, ein Ziel, das viele verfolgen. Sie wissen nichts vom Erwachen, denn sie wissen nicht, wozu sie erwachen würden. In der Tat wissen sie nicht einmal, dass sie träumen! So sind sie denn willens, sich mit einem glücklicheren Traum hier zufriedenzugeben. Und wie wir schon eingangs ausgeführt haben: Viele Schüler von Ein Kurs in Wundern bemerken nicht, dass Jesus sie lehrt, wie sie aus dem Traum erwachen können, und nicht bloß, wie sie besser im Traum leben können. Wie Jesus uns sagt: »Hier [in der Welt] verlangt Gottes Sohn nicht zu viel, sondern viel zu wenig« (T-26.VII.11:7). Es wäre daher ein großer Fehler zu glauben, die Rolle Jesu oder des Heiligen Geistes bestünde darin, uns dabei zu helfen, innerhalb der Träume unserer individuellen psychophysischen Existenz, die wir unser Leben nennen, glücklicher zu werden. Das ganze Anliegen Jesu in seinem Kurs besteht gerade darin, seinen Schülern klarzumachen, dass sie hier nicht glücklich sind. Am Ende von Kapitel 7 im Abschnitt »Die Verwechslung von Schmerz und Freude« sagt er beispielsweise:

Der Heilige Geist wird dich nur so führen, dass Schmerz vermieden wird. Sicher hätte niemand etwas gegen dieses Ziel einzuwenden, wenn er es begreifen würde. Das Problem liegt nicht darin, ob das, was der Heilige Geist sagt, wahr ist, sondern ob du hören willst, was er sagt. Du begreifst ebenso wenig, was schmerzhaft ist, wie du erkennst, was Freude bereitet, und neigst in der Tat sehr dazu, beides zu verwechseln. Die Hauptfunktion des Heiligen Geistes besteht darin, dich zu lehren, sie zu unterscheiden. Was dir Freude bereitet, ist schmerzhaft für das Ego, und solange du Zweifel darüber hegst, was du bist, wirst du Freude und Schmerz verwechseln (T-7.X.3:1-6; Kursive v. d. Verf.).

Und so lehrt Jesus seine Schüler als Erstes, dass allein die Überzeugung, in der Welt zu sein, bereits verleugnen heißt, wer sie als Christus sind. Als Folge davon müssen sie sich zumindest in der seltsamen Lage befinden, Zweifel darüber zu hegen, was sie sind, da das, was sie hier im Traum zu sein glauben, nicht ihr wirkliches Selbst ist. Daher werden sie nach der Logik dessen, was im vorhergehenden Absatz gesagt wurde, nicht in der Lage sein, Freude und Schmerz auseinanderzuhalten, und daher zwangsläufig glauben, dass ihre Traumwelt von Glück und Freude erfüllt ist oder zumindest das Potenzial beinhaltet, ihren Schmerz zu lindern. So würden sie sich damit zufriedengeben, den Kurs in Wundern zu benutzen, um ihnen zu helfen, in ihrem scheinbaren Traum der Individualität glücklicher, friedlicher und verzeihender zu werden. Diesen Zustand beschreibt Jesus im Handbuch für Lehrer als viertes Stadium in dem sechs Phasen umfassenden Prozess der Entwicklung des Vertrauens (H-4.I.6).

Doch Jesus macht im Kurs sehr deutlich, dass es für uns ohne die Erfahrung von Schmerz und Unbehagen (erstes, zweites, drittes und fünftes Stadium in der Entwicklung von Vertrauen) keine Motivation gäbe, das zu lernen, was er uns über das Erreichen wahren und dauerhaften Friedens (sechstes Stadium) lehrt. Auf den ersten Seiten des Textbuches sagt er etwas, das jedem Lehrer und Therapeuten ausgesprochen geläufig ist:

Niemand kann etwas lernen, wenn er es nicht lernen will und nicht in irgendeiner Weise glaubt, er brauche es (T-l.VI.l:2).

Die Motivation zum Lernen kommt aus unseren unglücklichen und schmerzhaften Erfahrungen und unserem starken Verlangen, davon frei zu werden; und zwar nicht nur von den unangenehmen Symptomen, sondern von ihrer eigentlichen Ursache, denn nur dann können wir wahrhaft frei sein:

Die Leidensfähigkeit mag groß sein, sie ist aber nicht grenzenlos. Schließlich beginnt ein jeder zu begreifen – wie undeutlich auch immer –, dass es einen besseren Weg geben muss. Sowie diese Einsicht mehr Boden gewinnt, wird sie zu einem Wendepunkt. Dies erweckt schließlich die geistige Schau wieder und schwächt gleichzeitig die Investition in die körperliche Sicht. Abwechselnd in die beiden Ebenen der Wahrnehmung zu investieren wird gewöhnlich als Konflikt erfahren, der sich stark zuspitzen kann. Der Ausgang aber ist so gewiss wie Gott (T-2.III.3:5-10).

Daher sind es die konfliktbeladenen Erfahrungen in unseren Träumen, die uns dazu motivieren, zu lernen, dass unsere Wirklichkeit überhaupt nicht in Träumen, sondern vielmehr im Erwachen aus ihnen zu finden ist. Wenn der Heilige Geist unsere Träume auf der Ebene unserer Erfahrung in der Welt berichtigen würde, gäbe es keinen Anreiz für uns, zu unserem Geist – der Quelle der Träume – zurückzukehren, um zu lernen, eine andere Wahl zu treffen. Da der Wunsch, von Gott getrennt zu sein und zu bleiben, nur in unserem Geist besteht, kann dieser Wunsch logischerweise auch nur in unserem Geist geändert werden. Am Ende von Kapitel 27 wird uns gesagt, dass der Heilige Geist sich nicht um die Wirkungen unserer Träume kümmert, sondern um deren Ursache, den Glauben des Geistes an die Wirklichkeit der Trennung (T-27.VII.7:8). Und an einer anderen Stelle weiter vorn im Textbuch sagt uns Jesus, dass sich sein Kurs mit der Ursache und nicht mit der Wirkung befasse (T-21.VII.7:8). So dient die Verleugnung unseres Schmerzes und Unbehagens bloß dem verborgenen Ziel des Ego, die Ursache des Leidens zu schützen, indem es uns von dessen Wirkungen abschirmt. Damit wird sichergestellt, dass wir die zugrunde liegende Ursache im Geist – den Gedanken der Trennung von Gott – nicht erkennen können. Sie zu erkennen ist aber die notwendige Voraussetzung dafür, dass der Heilige Geist sie aufheben kann.

Deswegen lehrt Jesus uns im Zusammenhang mit der besonderen Beziehung – dem überzeugendsten Argument des Ego, unsere Träume des persönlichen Mangels und der notgedrungenen Vervollständigung durch andere weiterzuträumen –, uns nicht von dem Glücksversprechen des Traums täuschen zu lassen. Er bittet uns stattdessen eindringlich, mit ihm an unserer Seite in unseren Geist zu schauen, wo wir die wahre Ursache unseres Schmerzes und Unglücks finden: den Wunsch, die Wahrheit von Gottes Liebe durch die Illusionen der Besonderheit zu ersetzen:

Gib dem Traum nicht die Macht, deine Augen zu schließen. Es ist nicht seltsam, dass Träume eine Welt machen können, die unwirklich ist. Es ist der Wunsch, sie zu machen, der unglaubwürdig ist. Deine Beziehung zu deinem Bruder ist jetzt zu einer Beziehung geworden, aus der der Wunsch entfernt worden ist, weil ihr Zweck von einem Zweck des Traums zu einem solchen der Wahrheit umgewandelt worden ist. Du bist dir dessen nicht sicher, weil du glaubst, gerade dies könnte der Traum sein. Du bist es so gewohnt, zwischen Träumen auszuwählen, dass du nicht siehst, dass du endlich die Entscheidung zwischen der Wahrheit und allen Illusionen getroffen hast (T-18.II.8).

So werden wir gebeten, besonders achtsam in unseren besonderen Beziehungen zu sein, die das Herzstück des Egotraums der Individualität und Ichbezogenheit sind. Durch die sorgfältige Unterweisung, die Jesus uns in Kurs in Wundern gibt, lernen wir, wie schmerzhaft es ist, mit anderen unfreundlich umzugehen, sie zu benutzen, zu manipulieren, zu missbrauchen oder zu bestehlen, um unserer eigenen Bedürfnisse und unserer Selbstglorifizierung willen:

Bei der Betrachtung der besonderen Beziehung ist es notwendig, erst einmal zu merken, dass sie ein großes Maß an Schmerz beinhaltet. Beängstigung, Verzweiflung, Schuld und Angriff, sie alle gehen in sie ein… (T-16.V.l:l-2).

Zu unserem Entsetzen wird uns so deutlich, dass uns in Wahrheit an niemandem etwas liegt außer an uns selbst und wir uns nur darum sorgen, wie andere Menschen unseren besonderen Interessen dienen können. Wenn uns zunehmend bewusst wird, welch ein Unbehagen diese Mechanismen der Besonderheit in uns erzeugen, sind wir mehr und mehr motiviert, Jesus um Hilfe zu bitten, unsere besonderen Partner und uns selbst anders zu betrachten. Jesus bittet uns, mit ihm ehrlich zu sein, während wir unser Leben und unsere Beziehungen erforschen und ihren einzigen Zweck verstehen: unser Egodenksystem der Trennung, des Urteilens, der Besonderheit und Individualität aufrechtzuerhalten. Zu Anfang des Textbuchs ermahnt uns Jesus, offen mit ihm zu sein, was diese Gedanken angeht:

Hab Acht und schau, worum du wirklich bittest. Sei darin ganz ehrlich dir gegenüber, denn wir dürfen voreinander nichts verbergen ... Überlege ehrlich, was du gedacht hast, das Gott nicht gedacht hätte, und was du nicht gedacht hast, wovon Gott möchte, dass du es denkst. Erforsche aufrichtig, was du getan hast und demzufolge unterlassen hast, und dann werde anderen Geistes, um mit Gottes Geist zu denken ... Als liebender Bruder bin ich zutiefst um deinen Geist besorgt und bitte dich eindringlich, meinem Beispiel zu folgen, wenn du dich und deinen Bruder ansiehst, und in euch beiden die herrlichen Schöpfungen eines herrlichen Vaters zu sehen (T-4.III.8:1-2; T-4.IV.2:4-5,9; Kursive v. d. Verf.).

Dieser Wandel von der Sichtweise des Ego zu derjenigen des Heiligen Geistes ist die Funktion des Wunders, des einzig wahren Wegs, unsere Probleme zu lösen. Das Wunder nimmt unsere Aufmerksamkeit vom Schmerz der Träume, die unser Leben in der Welt sind, weg und erinnert uns daran, dass es nicht notwendig ist, das Problem unseres Leidens zu lösen, indem wir die Welt verändern, denn nur das Problem in unserem Geist bedarf der Veränderung. Der Leser mag sich den wichtigen Satz im Textbuch ins Gedächtnis rufen: »Suche deshalb nicht, die Welt zu ändern, sondern entscheide dich, dein Denken über die Welt zu ändern« (T-21.Einl.1:7). Das Wunder bringt uns damit wieder die wahre Macht von Gottes Sohn zu Bewusstsein: dass er es vermag, Illusionen anstelle der Wahrheit zu wählen, und dann anderen Geistes werden kann, indem er sich für die Wahrheit der Vergebung anstelle von Schuld und Besonderheit entscheidet. Wie gesagt ist es der Schmerz unserer Träume des Urteils und der Individualität, der uns motiviert, Jesus um Hilfe zu bitten. So kann Jesus unsere Aufmerksamkeit vom Traum unserer individuellen Existenz schließlich zum Träumer zurücklenken: das heißt zur Wahl des Entscheiders, weiterzuschlafen. Er fasst diesen Prozess in dem folgenden Abschnitt zusammen, der im Zusammenhang mit dem Schmerz steht, den wir als unvermeidliche Wirkung unserer Krankheit empfinden:

Diese Welt ist voller Wunder. Sie stehen in leuchtendem Schweigen neben jedem Traum von Schmerz und Leiden, von Sünde und von Schuld. Sie sind des Traums Alternative, die Wahl, Träumer zu sein, statt die aktive Rolle bei der Erfindung des Traums zu verleugnen. Sie sind die frohen Wirkungen davon, dass die Folge der Krankheit auf ihre Ursache zurückgeführt wird. Der Körper wird befreit, weil der Geist anerkennt: »Das wird nicht mir getan, sondern ich tue das.« Nun ist der Geist frei, stattdessen eine andere Wahl zu treffen (T-28.II.12:1-6).

Nur wenn wir jede Hoffnung aufgeben, hier in der Welt Glück zu finden, sind wir bereit, andere Wahlmöglichkeiten und die wahre Veränderung in Betracht zu ziehen: nämlich eine andere Entscheidung in unserem Geist zu treffen. Das ist die einzige Wahl, die Bedeutung hat, denn in der Welt tauschen wir bloß eine Illusion gegen die nächste aus in der magischen Hoffnung, unsere Träume besser zu machen. Der Prozess des Wunders erlaubt uns zu sehen, dass nur eine Veränderung notwendig ist. Und wenn wir uns entscheiden, unsere Albträume der Besonderheit mit den Augen der Vergebung zu betrachten, merken wir, dass die Veränderung bereits geschehen ist. Mittels dieser neuen Wahrnehmung – der Schau Christi – sind wir schließlich bereit, aus dem Traum des Todes zu erwachen, wie die Definition des Kurses von der Auferstehung lautet.

Doch wird uns in Kurs in Wundern angeraten, keine Schritte zu überspringen, denn es wäre derart Angst erregend, von den Albträumen unserer Individualität direkt in die Arme des Himmels zu springen und in das Herz Gottes zu entschwinden, dass wir es nicht ertragen könnten. Man kann nicht von der Falschgesinntheit der Existenz in die Einsgesinntheit des Seins springen, ohne von Vernichtungsangst überwältigt zu werden. Daher brauchen wir die Zwischenschritte der gefahrlosen Träume der Vergebung, die uns sanft vom Schlaf- zum Wachzustand führen. Es ist die Funktion der glücklichen Träume der Berichtigung des Heiligen Geistes, für diese sanfte Führung zu sorgen. In der folgenden Passage findet sich die vielleicht beste Beschreibung dieses Prozesses im Kurs. Auffällig ist hier insbesondere die Sanftheit der Sprache:

Du bist der Träumer der Welt der Träume. Sie hat keine andere Ursache, noch wird sie das je haben. Nichts Furcht Erregenderes als ein nichtiger Traum hat Gottes Sohn in Angst und Schrecken versetzt und ihn glauben lassen, dass er seine Unschuld verloren, seinen Vater verleugnet und einen Krieg gegen sich selbst geführt hat. So schrecklich ist der Traum, so scheinbar wirklich, dass er nicht ohne Angstschweiß und einen Schrei der Todesangst zur Wirklichkeit erwachen könnte, wenn nicht ein sanfterer Traum seinem Erwachen vorausgehen und es seinem ruhigeren Geist erlauben würde, die Stimme willkommen zu heißen und nicht zu fürchten, die mit Liebe ruft, ihn aufzuwecken; ein sanfterer Traum, in dem sein Leiden geheilt und sein Bruder ihm ein Freund ist. Gott wollte, dass er sanft und voller Freude erwache, und gab ihm die Mittel, furchtlos zu erwachen.

Nimm den Traum an, den er dir statt des deinen gab. Es ist nicht schwierig, einen Traum zu ändern, wenn der Träumer erst einmal erkannt ist. Ruhe im Heiligen Geist, und lass zu, dass seine sanften Träume den Platz derjenigen einnehmen, die du in Schrecken und in Todesangst geträumt hast. Er bringt Träume der Vergebung, in denen die Wahl nicht darin besteht, wer der Mörder ist und wer das Opfer sein soll. In den Träumen, die er bringt, gibt es keinen Mord und keinen Tod. Der Traum der Schuld verblasst vor deiner Sicht, wenn deine Augen auch geschlossen sind. Ein Lächeln ist gekommen, dein schlafendes Antlitz zu erhellen. Der Schlaf ist jetzt friedlich, denn dies sind glückliche Träume (T-27.VII.13-14; Kursive v. d. Verf. außer im ersten Satz).

Wenn wir auch einerseits von Jesus eindringlich gebeten werden, nichts Geringeres als das Ziel des Erwachens zu akzeptieren, das wir verdienen, werden wir andererseits ebenso eindringlich gebeten, sanft mit uns selbst zu sein und langsam durch die liebevollen Lektionen der Vergebung hindurchzugehen, in denen er uns führt. Dieselbe sanfte Lehre finden wir in Lektion 140 im Übungsbuch:

Die glücklichen Träume, die der Heilige Geist bringt, sind anders als das Träumen der Welt, wo einer nur träumen kann, er sei wach. Die Träume, welche die Vergebung den Geist wahrnehmen lässt, führen keine andere Form von Schlaf herbei, sodass der Träumer einen anderen Traum träumt. Seine glücklichen Träume sind Vorboten dafür, dass dem Geist die Wahrheit dämmert. Sie führen aus dem Schlaf zu einem sanften Erwachen, sodass Träume vergangen sind. Und somit heilen sie für alle Ewigkeit (Ü-I.140.3; Kursive v. d. Verf.).

Doch sollten Schüler des Kurses nicht den Fehler begehen zu glauben, dass dieser Zwischenschritt, anderen zu vergeben, das letztendliche Ziel des Kurses ist. Das ist nicht der Fall. Im Hinblick auf seine Eltern, die Künstler waren, schreibt der Trappist Thomas Merton auf der allerersten Seite seiner Autobiografie Der Berg der sieben Stufen: »Wahres Künstlertum erhebt den Menschen über die Welt hinaus, ohne ihn davon zu befreien.« In Ein Kurs in Wundern finden wir in der Tat das Versprechen, von der Welt der Träume dadurch befreit zu werden, dass keinem von ihnen Wirklichkeit gegeben wird. Schüler sollten sich daher niemals damit zufriedengeben, bloß über den Schmerz und das Leiden des illusorischen Traums hinausgehoben zu werden, sondern vielmehr immer das Ziel im Auge behalten, das Jesus für alle seine Brüder im Sinn hat: vollends aus dem Traum zu erwachen und sich daran zu erinnern, wer sie als Gottes einer Sohn sind. Er schreibt:

Christus hat den Traum von einer Welt geträumt, der vergeben worden ist. Es ist seine Gabe, wodurch ein süßer Übergang erschaffen werden kann vom Tod zum Leben, von der Hoffnungslosigkeit zur Hoffnung. Wir wollen einen Augenblick lang mit ihm träumen. Sein Traum weckt uns zu der Wahrheit. Seine Schau verleiht die Mittel für eine Rückkehr zu unserer nie verlorenen und ewig währenden Heiligkeit in Gott (Ü-I.159.10:4-8, Kursive v. d. Verf.).

Die glücklichen Träume der Vergebung sind daher das mittelfristige Ziel des Kurses, denn sie berichtigen die Illusionen der Trennung und der Individualität, die vorher für wahr gehalten wurden. Diese glücklichen Träume sind die Berichtigung des Heiligen Geistes, womit die Störung beseitigt wird, die uns daran hindert, seine Stimme zu hören, die uns das süße Lied von der Liebe Gottes singt, ein Lied der Einheit und des Friedens, das niemals zerstört worden ist. In der folgenden wundervollen Passage aus dem Textbuch wird die Funktion dieser Träume der Vergebung gut zusammengefasst. Sie ist zugleich ein passender Abschluss für diesen Artikel:

Träume der Vergebung brauchen nicht lang zu dauern. Sie sind nicht gemacht, um den Geist von dem zu trennen, was er denkt. Sie suchen nicht zu beweisen, dass der Traum von jemand anderem geträumt wird. Und in diesen Träumen ist eine Melodie zu hören, an die ein jeder sich erinnert, obwohl er sie seit vor Beginn der Zeit nicht mehr gehört hat. Ist die Vergebung erst einmal vollständig, rückt die Zeitlosigkeit so nahe, dass des Himmels Lied zu hören ist, nicht mit den Ohren, sondern mit jener Heiligkeit, die niemals den Altar verließ, der tief im Gottessohne wohnt in Ewigkeit. Und wenn er dieses Lied wieder hört, weiß er, dass er es niemals nicht gehört hat. Wo bleibt die Zeit dann, wenn die Träume des Urteils weggelegt sind? (T-29.IX.8)

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