Studium EKIW ®

Lichtblick Nr. 21 (Dezember 2016)

Der rechtgesinnte Geist: das Heim der Berichtigung

Kenneth Wapnick

Der Entscheider: Sitz des Schicksals

Bei vielen Schülern von Ein Kurs in Wundern herrscht einige Verwirrung darüber, was es heißt, den Heiligen Geist oder Jesus um Hilfe zu bitten, oder, um es anders auszudrücken: was es heißt, rechtgesinnt zu sein. Unsere alltäglichen Probleme und konkreten Sorgen erscheinen so drückend und Jesu vermeintliches Angebot im Kurs, uns bei ihnen zu helfen, so verlockend, dass wir fast nicht umhin können, bei ihrer Lösung um Hilfe zu bitten. Tatsächlich gibt es einige Stellen im Kurs, die man dahin gehend fehldeuten könnte, dass wir Jesus oder den Heiligen Geist in der Tat um konkrete Hilfe bitten sollten (in einer Übungsbuchlektion werden wir diesbezüglich sogar an Gott verwiesen [Ü-I.71.9]!). Reißt man diese Stellen aus dem Zusammenhang, widersprechen sie jedoch direkt der zentralen Botschaft des Kurses, wonach das Problem nur im Geist und nicht in der Welt oder im Körper zu suchen ist. Zu Anfang der Niederschrift des Kurses bat Jesus Helen Schucman gleich zweimal, nicht in diese Egofalle zu gehen, als sie versuchte, ihn um Hilfe zu bitten, ihr die Angst zu nehmen, denn Helen war eine angstbesetzte Person:

Für die Berichtigung der Angst bist du verantwortlich. Wenn du um Befreiung von der Angst bittest, sagst du damit, dass du es nicht bist. Stattdessen solltest du in jenen Umständen um Hilfe bitten, die die Angst verursacht haben. Diese Umstände bringen stets eine Bereitschaft [d.h. die Entscheidung des Geistes], getrennt zu sein, mit sich ... Würde ich zwischen deine Gedanken und ihre Folgen treten, so würde ich in ein grundlegendes Gesetz von Ursache und Wirkung eingreifen, das grundlegendste aller Gesetze. Ich würde dir kaum helfen, wenn ich die Macht deines eigenen Denkens herabsetzte. Das stünde in völligem Gegensatz zum Zweck dieses Kurses (T-2.VI.4:1-4; VII.1:4-6; Kursive v. Verf.).

Auch wenn diese Botschaft in einem sehr frühen Stadium der Niederschrift kam, enthält sie im Keim schon alles, was in den nächsten sieben Jahren folgen sollte. Sie wirft ein Schlaglicht auf die Reise, die Jesus mit uns von der Welt in den Geist unternimmt, damit wir uns wieder der »Bereitschaft [des Geistes], getrennt zu sein«, bewusst werden: des Wunsches, autonom und frei von dem zu sein, was wir in unserem Wahnsinn für die Knechtschaft des vollkommenen Einsseins halten. Sobald wir wieder in Kontakt mit der Entscheidungsfähigkeit des Geistes sind, befinden wir uns in der glücklichen Lage, noch einmal wählen zu können, was das Thema des letzten Abschnitts im Textbuch (T-31.VIII) und der eigentliche Zweck dieses Kurses ist.

Doch trotz unserer besten Absichten, gute Kursschüler zu sein – es sei an den Satz erinnert: »Vertraue nicht deinen guten Absichten. Sie reichen nicht aus« (T-18.IV.2:1-2) –, fallen wir oft der raffinierten Strategie des Ego zum Opfer, das das wahre Wesen des Problems und seiner Quelle vor uns geheim halten will. Vereinfacht ausgedrückt, sind nicht unsere wahrgenommenen Probleme in der Welt und im Körper das Problem, sondern der Umstand, dass wir denken, wir hätten ein Problem. Gegen Ende des Textbuchs weist Jesus auf denselben Punkt hin, als er unsere Selbstkonzepte erörtert:

Die Erlösung kann als nichts weiter als das Entrinnen aus Konzepten angesehen werden. Sie kümmert sich nicht um den Inhalt des Geistes, sondern um die einfache Aussage, dass er denkt (T-31.V.14:3-4).

Mit anderen Worten: Nicht die verschiedenen – positiven oder negativen – Konzepte, die wir von uns haben, stellen das Problem dar, sondern dass wir denken, wir hätten überhaupt ein Selbst, das sich in Konzepte fassen lässt. Das Problem ist also nicht, was wir denken, sondern dass wir denken, wir könnten denken. Deshalb erinnert uns Jesus daran, dass wir gar nicht denken:

Du glaubst auch, das Gehirn des Körpers könne denken. Wenn du das Wesen des Denkens verstündest, könntest du über diese wahnsinnige Vorstellung nur lachen. Es ist genauso, wie wenn du glaubtest, dass du das Streichholz hältst, mit dem die Sonne angezündet wird und das ihr ihre ganze Wärme gibt; oder dass du die Welt in deiner Hand hältst, wo sie sicher festgehalten ist, bis du sie loslässt. Dabei ist das nicht törichter, als zu glauben, ... das Gehirn könnte denken (Ü-I.92.2).

Es ist einzig und allein der Geist, der denkt – das, was wir den Entscheider nennen. Und dieser Teil des gespaltenen Geistes, der entscheidet, kann nur zwischen zwei Gedanken wählen: der Trennung des Ego und der Sühne des Heiligen Geistes. Das ist alles. Dieser Irrtum, wir könnten denken, stammt daher von dem grundlegenden Irrtum, den wir gemeinsam als ein Sohn teilen: dem wahnsinnigen Glauben, wir hätten uns von Gott, unserer Quelle, und von unserem Selbst, dem Christus, getrennt, den Gott als eins mit sich schuf. Es ist dieser Fehler, der der Berichtigung bedarf, nicht die unzähligen Deckmäntel, die das Ego verwendet, um unsere Aufmerksamkeit von der fehlerhaften Entscheidung des Geistes abzulenken. Jesus gibt uns früh im Textbuch die Unterweisung:

Dein Teil ist lediglich, dein Denken an den Punkt zurückzubringen, an dem der Irrtum begangen wurde, und ihn in Frieden der Sühne zu übergeben (T-5.VII.6:5).

Dieser Punkt der Entscheidung ist sozusagen der Sitz des Schicksals (um einen philosophischen Begriff zu benutzen, der im Platonismus oder Neoplatonismus gewöhnlich für die Seele verwendet wurde). Es ist der Teil des Geistes, der ständig zwischen dem Problem (dem Denksystem der Trennung im falschgesinnten Geist) und der Antwort (der Berichtigung der Vergebung im rechtgesinnten Geist) wählt.

Der rechtgesinnte Geist:
Den falschgesinnten Geist ohne Urteil anschauen

Das Verständnis, dass der Entscheider der Denker ist, befähigt uns, den Zweck der Berichtigung zu verstehen, der die einzige Funktion des rechtgesinnten Geistes ist. Wenn wir rechtgesinnt sind, werden wir zu Beobachtern und schauen mit Jesus auf unsere Entscheidung für das Ego. Seine sanfte und vergebende Schau erlaubt uns, unsere Urteile der Schuld aufzulösen, die wir anschließend auf andere projizieren. Das führt uns zu folgender Arbeitsdefinition: Rechtgesinnt sein heißt, ohne Urteil auf die Falschgesinntheit schauen. Das hebt die Schuld auf, durch die der Irrtum des Entscheiders aufrechterhalten und so verfestigt wurde, dass er nie angeschaut und aufgehoben werden konnte. So ist Jesu Mahnung gemeint, nicht in die verführerische Egofalle von Sünde, Schuld und Angst zu gehen:

Nenne ihn [den Irrtum] nicht Sünde, sondern Wahnsinn, denn das war er, und das bleibt er nach wie vor. Statte ihn nicht mit Schuld aus, denn Schuld besagt, dass er in Wirklichkeit vollbracht wurde. Vor allem aber: Fürchte ihn nicht (T-18.I.6:7-9).

Um es zu wiederholen: Das Problem sind nicht die vermeintlichen Irrtümer selbst, sondern dass der Geist die Irrtümer durch diese höchst unheilige Dreieinigkeit betrachtet.

Dieses Verständnis befähigt uns als Kursschüler, dem Ego nicht auf den Leim zu gehen, das uns glauben lassen möchte, wir befolgten Jesu Lehre, wenn »wir in den rechtgesinnten Geist gehen« und Jesus um Hilfe bitten, die konkreten Probleme in unserem Leben zu lösen. Damit verstärken wir bloß das Egodenksystem der Täuschung und Ablenkung, das uns das wahnhafte Gefühl gibt, etwas erreicht zu haben – ein fälschlich positives Gefühl, das unsere einzige Funktion verbirgt, das Negative, das das Ego ist, aufzuheben. Deshalb bittet uns Jesus eindringlich, das Ego mit ihm zusammen anzuschauen, damit wir über es hinaus zur Wahrheit schauen können, wie in den folgenden Stellen im Textbuch deutlich wird:

Niemand kann Illusionen entrinnen, wenn er sie nicht ansieht, denn durch Nichthinsehen werden sie geschützt ... Wir sind bereit, das Denksystem des Ego genauer zu betrachten, weil wir gemeinsam die Lampe haben, die es auflösen wird ... denn da du ihm Wirklichkeit verliehen hast, müssen wir erst dies anschauen, um darüber hinauszusehen (T-11.V.1:1,3,5).

So wird es zur Aufgabe des Wunderwirkenden, die Verleugnung der Wahrheit zu leugnen (T-12.II.1:5).

Deine Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen, sondern einfach, alle Schranken in dir selbst zu suchen und zu finden, die du gegen sie erbaut hast. Es ist nicht nötig, nach dem zu suchen, was wahr ist, aber es ist nötig, nach dem zu suchen, was falsch ist (T-16.IV.6:1-2).

Das Positive in diesem Kurs besteht daher darin, auf das Negative des Ego zu schauen und es nicht länger zu wollen: Zu Jesus ja zu sagen heißt, »nicht nein« zu sagen, also die vom Ego stammende Negation der Wahrheit zu negieren (T-21.VII.12:4).

Da es weiß, dass ein ruhiges Anschauen seine Aufhebung bedeutet, entwirft das anthropomorphe Ego die Strategie, seine Existenz im Geist dadurch aufrechtzuerhalten, dass es den Sohn Gottes geistlos macht. Indem es den Geist des Sohnes, der die Macht der Entscheidung hat, auf diese Weise schwächt und für einen Wandel unzugänglich macht, stellt das Ego sicher, dass der ursprüngliche Irrtum, der darin bestand, es zu wählen, nie aufgehoben werden kann:

Das Ego, das den Geist immer schwächen will, versucht, ihn vom Körper zu trennen, in einem Bemühen, ihn zu zerstören. Dabei glaubt das Ego tatsächlich, dass es ihn beschützt. Das liegt daran, dass das Ego glaubt, der Geist sei gefährlich und geistlos machen heiße heilen (T-8.IX.6:1-3).

Um diesen wichtigen Punkt zu wiederholen: Der Zweck des Kurses besteht darin, dass wir, unterwiesen und geführt von Jesus, eine Reise von der Geistlosigkeit zurück in den Geist unternehmen: von der Welt der Körper zur Innenwelt des Geistes. Er lehrt uns das Verständnis, dass die Welt, die wir sehen, »das Zeugnis für den Zustand [unseres] Geistes ist, das äußere Bild eines inneren Zustands« (T-21.Einl.1:5). Unsere Wahrnehmungen von der Welt bilden den Königsweg (Freuds bildhafter Begriff), der uns zum Geist zurückführt und uns hilft, wieder Zugang zur Entscheidungsfähigkeit zu bekommen, der wir abgeschworen hatten. Den Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit auf die geistlose äußere Welt unserer Erfahrungen zu legen und darauf zu beharren oder auch nur zu verlangen, dass unser innerer Lehrer sich an einer solchen Verrücktheit beteiligt, verstärkt lediglich die Strategie des Ego, uns davon abzuhalten, anderen Geistes zu werden. Diese Taktik ist in Wirklichkeit ein fragmentarischer Schatten des dritten Egogesetzes des Chaos (T-23.II.6), welches besagt, dass Gott unserem wahnsinnigen Denksystem der Trennung und Sünde beipflichtet. Daher die Aussage, die vielen Kursschülern sehr geläufig ist: »Suche deshalb nicht, die Welt zu ändern, sondern entscheide dich, dein Denken über die Welt zu ändern (T-21.Einl.1:7). An einer Stelle, in der es um das Aufgeben des Urteilens geht, sagt Jesus uns, Aufheben sei nur in unserem Geist notwendig (T-6.V-C.2:5). Warum sollten wir also überhaupt den Wunsch haben, Jesus um konkrete Hilfe für konkrete Probleme zu bitten, wenn diese nicht einmal existieren? Das ist das Thema des nächsten Abschnitts.

Um Konkretes bitten

Im Kurs wird uns wiederholt gesagt, der Zweck sei alles und die einzige Frage, die wir je in Bezug auf etwas stellen sollten, laute: Wozu dient es? (z.B. T-17.VI.2:1-2). Wir müssen daher den Zweck untersuchen, der hinter unseren Bitten um Konkretes steht, wenn diese so eindeutig der Botschaft des Kurses zuwiderlaufen. Die Antwort auf diese Frage ist offensichtlich, sobald wir die Egostrategie der Geistlosigkeit betrachten. Um Konkretes zu bitten spiegelt den Glauben, dass die Welt Wirklichkeit besitzt. Dieser Glaube wird dadurch verstärkt, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf den Körper und nicht auf den Geist richten, der entscheidet. Jesus behandelt dies zu Beginn des Lieds des Gebets im Zusammenhang mit dem Beten oder der Frage, was es heißt, den Heiligen Geist um Hilfe zu bitten.

Um Konkretes bitten ist ungefähr dasselbe wie auf die Sünde schauen und sie dann vergeben. Und auf dieselbe Weise siehst du im Gebet über deine konkreten Bedürfnisse, so wie du sie siehst, hinweg, und lässt sie in Gottes Hände übergehen ... Was könnte seine Antwort anderes sein als deine Erinnerung an ihn? Kann diese gegen einen kleinen, trivialen Rat bei einem Problem von eines Augenblickes Dauer eingehandelt werden? (L-1.I.4:1-3,5-6).

Jesus möchte also, dass wir bedenken, wie groß die Gabe der Liebe Gottes ist, die wir weggeworfen und gegen die trivialen konkreten Dinge unseres Lebens der Besonderheit eingetauscht haben. Als er im Textbuch über das Lied der Liebe spricht, das wir vergessen haben, erinnert er uns daran, dass die Noten dieses Liedes – seine Bestandteile (»die Obertöne, Harmonien und Echos« [L-1.I.3:3] – nichts sind [T-21.I.7:1]).

Im Übungsbuch stoßen wir auf eine sogar noch direktere Darstellung der Strategie, die das Ego verfolgt, um uns über das Wesen des Problems und seiner Lösung zu täuschen. Aus Angst, der Geist, der die Macht der Entscheidung besitzt, könne feststellen, dass das Problem – das Trennungsdenken des Ego als seine Wirklichkeit zu wählen – in ihm selbst liegt, und seinen Fehler berichtigen, indem er die Sühne des Heiligen Geistes wählt, projiziert das Ego, wie schon erläutert, das Problem vom Geist auf den Körper. Sobald unsere Aufmerksamkeit auf dem Körper und seiner Welt liegt, wird sie auf die Lösung der unzähligen Probleme gelenkt, vor die das Ego uns stellt und für die es uns gleichzeitig die Karotte bedeutungsvoller Lösungen hinhält. Dazu sagt Jesus:

Ein Problem kann nicht gelöst werden, wenn du es nicht erkennst. Selbst wenn es bereits gelöst ist, wirst du es noch immer haben, weil du nicht erkennst, dass es gelöst ist. In dieser Situation befindet sich die Welt. Das Problem der Trennung, das in Wirklichkeit das einzige Problem ist, ist bereits gelöst. Und dennoch wird die Lösung nicht erkannt, weil das Problem nicht erkannt ist ... Die Welt scheint dich vor eine riesige Anzahl von Problemen zu stellen, von denen jedes eine andere Lösung erfordert ... Diese ganze Komplexität ist bloß ein verzweifeltes Bemühen, das Problem nicht zu erkennen und es deshalb nicht lösen zu lassen (Ü-I.79.1; 4:2; 6:1).

Diese Botschaft wird im Textbuch wiederholt, indem Jesus uns darlegt, welchen Zweck das Ego mit unseren Problemen verfolgt:

Indem es sich mit Randproblemen beschäftigt, hofft es, die wirkliche Frage zu verbergen und aus dem Bewusstsein fern zu halten. Die typische Geschäftigkeit des Ego, die sich um Nebensächlichkeiten dreht, dient genau diesem Zweck. Die Beschäftigung mit Problemen, die so angelegt sind, dass keine Lösung möglich ist, ist ein Lieblingsmittel des Ego, um den Lernfortschritt aufzuhalten (T-4.V.6:4-6).

Diese Stellen machen klar, dass wir, wenn wir Jesus oder den Heiligen Geist bei konkreten Problemen um Hilfe bitten, zulassen, dass die listigen Hintergedanken des Ego unsere Beziehung zu unseren Lehrern verfälschen. Sie werden auf diese Weise zu einem Teil des Problems statt zur Antwort. Das war die Quintessenz einer persönlichen Botschaft Jesu an Helen im Jahre 1977, einer Zeit, als sie ihn wiederholt um ganz konkrete Hilfe bei ganz konkreten Problemen bat: beispielsweise, wo sie bestimmte Kleidung kaufen oder an welcher Straßenecke sie warten sollte, um ein Taxi zu bekommen. Diese Phase, die sich über mehrere Jahre hinzog, war für Helen insofern sehr hilfreich, als sich darin Jesu liebevolle und sanfte Freundlichkeit spiegelte, denn er holte sie an dem Punkt ab, an dem sie stand, statt von ihr zu fordern, zu ihm zu kommen. Es war ein wunderbares Beispiel für die Bedeutung der folgenden Aussage im Kurs, die ebenfalls sehr früh während der Niederschrift kam:

Der Wert der Sühne liegt nicht in der Art und Weise, in der sie ausgedrückt wird. Tatsächlich wird sie, wenn sie wahrheitsgemäß benutzt wird, unweigerlich so ausgedrückt, wie es für den Empfänger am hilfreichsten ist. Das bedeutet, dass ein Wunder, soll es seine volle Wirksamkeit erzielen, in einer Sprache ausgedrückt werden muss, die der Empfänger ohne Angst verstehen kann (T-2.IV.5:1-3).

Da sich Helen eindeutig in einem angstbesetzten Zustand befand und ihr Vertrauen zu Jesus – gelinde gesagt – ambivalent war, war es für sie hilfreich, seine Hilfe und Liebe in einer Form zu erfahren, die sie ertragen konnte: das heißt bei solch konkreten, relativ unwichtigen Angelegenheiten. Doch wenn sie uneingeschränkt so weitergemacht hätte, wäre es ihrem inneren Wachstum abträglich gewesen und hätte ihre Beziehung zu ihrem geliebten älteren Bruder sabotiert. Als sie so weit war – als ihre Angst also genügend abgenommen hatte –, konnte sie nun diese Botschaft hören:

Jede konkrete Frage beinhaltet eine ganze Reihe von Annahmen, die die Antwort unausweichlich begrenzen. Eine konkrete Frage ist eigentlich eine Entscheidung hinsichtlich der Art der Antwort, die akzeptabel ist. Der Zweck von Worten ist zu begrenzen und durch das Begrenzen ein weites Feld der Erfahrung handhabbarer zu machen. Aber das heißt: von dir handhabbarer. (siehe Kenneth Wapnick, Jenseits der Glückseligkeit, S. 510)

Mit anderen Worten: Helens Fragen an Jesus dienten – wenn auch unbewusst – eigens dazu, ihn »handhabbar zu machen«, die Beziehung so zu kontrollieren, dass seine Liebe (»ein weites Feld der Erfahrung«) und die wahre Berichtigung in ihrem Geist relativ wenig Wirkung auf sie haben würden. Ihre Bitten und zeitweiligen Forderungen verstärkten ihren geistlosen Zustand und begrenzten so Jesu Hilfe auf die Angelegenheiten, die sie ihm präsentierte. Doch schließlich drang seine Botschaft zu ihr durch, denn Helen war kurz danach imstande, von konkreten Fragen abzulassen und zu beginnen, Jesu wahre Berichtigung zu akzeptieren, die darin bestand, ihr Ego aufzuheben. (Für eine umfassende Darstellung der Beziehung Helen Schucmans zu Jesus und der persönlichen Botschaften, die sie empfing siehe Kenneth Wapnick, Jenseits der Glückseligkeit, Kapitel 17 und 18.)

Das Ego aufheben:
Die wahre Bedeutung der Berichtigung

Um zu verstehen, was Jesus im Kurs mit Aufheben meint, müssen wir uns ein relativ wichtiges Prinzip seiner Lehre vor Augen führen: Das Ego selber hat keine Macht. In Wahrheit ist das Ego nichts. Es ist nur ein illusionärer Gedanke der Trennung, der nicht stattgefunden hat, weil er nicht hatte stattfinden können. Demnach haben auch Sünde und Schuld, die Hauptverbündeten des Ego, keine wahre Macht, da sie nichts sind, und die materielle Welt, die aus diesem Nichts hervorging, muss dementsprechend auch nichts sein. Warum sollten wir also versuchen, ein nichtexistentes Problem zu lösen, das die Projektion eines nichtexistenten Gedankens ist? Das ergibt keinen Sinn. Was jedoch Sinn ergibt, ist zu erkennen, dass es der Entscheider ist, der die Macht hat, nicht das Ego. Somit ist das Problem, das wir berichtigen, nicht das Ego, sondern die Entscheidung des Geistes für das Ego. Es gibt mehrere Stellen im Kurs, in denen Jesus dies behandelt. Zum Beispiel:

Nur deine Treue dem Ego gegenüber verleiht ihm überhaupt Macht über dich (T-4.IV.1:2).

Die Raffiniertheit des Ego hinsichtlich seiner Selbsterhaltung ist enorm, stammt aber aus ebender Macht des Geistes, die das Ego verleugnet ... Das Ego schöpft, um zu existieren, aus der einen Quelle, die seiner Existenz gänzlich feindlich gesinnt ist. Aus Angst, die Macht dieser Quelle wahrzunehmen, ist es gezwungen, sie herabzusetzen (T-7.VI.3:1,5-6).

Fürchte dich nicht vor dem Ego. Es ist von deinem Geist abhängig, und so, wie du es machtest, indem du an es glaubtest, kannst du es dadurch auflösen, dass du den Glauben an es zurücknimmst (T-7.VIII.5:1-2).

Dieses Verständnis vereinfacht unser Leben sehr. Wir müssen nicht gegen die »Pfeile und Schleudern des wütenden Geschicks« kämpfen, um mit Hamlet zu sprechen, denn diese sind, wie schon erläutert, nicht das Problem. Nur die Wahnsinnigen würden wie Don Quichotte gegen halluzinierte Feinde kämpfen. Jesus hilft uns, seine geistige Gesundheit zu teilen und einzusehen, dass nicht das Ego das Problem ist, sondern dass das Problem unstreitig unser Glaube an das Ego ist. Deshalb sollten wir, um auf die Bitten um Konkretes zurückzukommen, ihn auch nicht fragen, was wir tun sollen, sondern vielmehr um Hilfe bitten, die Störung zu beseitigen, die unser Wissen, was wir tun sollen, blockiert. Der Kurs ist demnach ein Förderkurs für Lernbeeinträchtigte, der der Berichtigung dient und uns dafür einen »besonderen Lehrer und einen besonderen Lehrplan« zur Verfügung stellt (T-12.V.5:4).

Eine weitere Botschaft an Helen, dieses Mal aus dem Jahre 1975, unterstreicht diese Lehre. Wie es ihre Gewohnheit war, bat sie Jesus um Hilfe, um zu erfahren, was sie jemandem sagen sollte, der in Not war. Man würde denken, dass dies eine Bitte ist, die voll und ganz mit den Lehren des Kurses übereinstimmt. Schließlich sollten wir anderen helfen. Doch ist dies eine Bitte, die Jesu Botschaft nicht nur nicht entspricht, sondern ihr direkt zuwiderläuft. Denken wir an seine Worte an Helen, wonach es in direktem Gegensatz zum Zweck dieses Kurses steht, die Macht des Geistes herabzusetzen. Um Hilfe auf der Verhaltensebene zu bitten heißt, dass der Fragesteller bereits das Problem vom Geist auf den Körper verschoben hat und damit die Egostrategie der Geistlosigkeit befolgt, die sicherstellt, dass der Geist, der entscheidet, entmachtet wird. Als Reaktion auf ihre Frage erhielt Helen die Antwort:

Du kannst nicht fragen: »Was soll ich zu ihm sagen?« und Gottes Antwort hören. Bitte stattdessen vielmehr: »Hilf mir, diesen Bruder durch die Augen der Wahrheit und nicht des Urteils zu sehen«, und die Hilfe Gottes und all seiner Engel wird antworten. (Kenneth Wapnick, Jenseits der Glückseligkeit, S. 436)

Diese Botschaft ist für uns alle bestimmt. Wir sollten Jesus um Hilfe bitten, unser Ego aufzuheben, was seiner Liebe erlaubt, durch uns hindurchzufließen. Dies wird uns mühelos die Worte und das Verhalten eingeben, die in der jeweiligen Situation am hilfreichsten sind. Mit anderen Worten: Wir bitten um Hilfe, von unserer Wahrnehmung der Probleme beiseitezutreten und stattdessen seine Schau anzunehmen, was unvermeidlich geschieht, wenn die Störung aufgehoben ist.

Der Begriff Aufheben taucht im Kurs sehr häufig auf und ist eine der Weisen, um die Rolle der Sühne, der Erlösung, der Vergebung und des Wunders – die Berichtigung des Heiligen Geistes – zu definieren. Es folgen einige Beispiele (Kursive v. Verf.):

Sühne bedeutet Berichtigung oder die Aufhebung von Irrtümern (H-18.4:6).

Wunder stellen Freiheit von Angst dar. »Sühnen« heißt »aufheben «. Das Aufheben der Angst ist ein wesentlicher Teil des Sühnewertes der Wunder (T-1.I.26).

Deshalb ist die Vergangenheit vorbei. Sie hat in Wirklichkeit nie stattgefunden. Nur in deinem Geist, der dachte, sie habe stattgefunden, ist ihre Aufhebung vonnöten (T-18.IV.8:5-7).

Erlösung [ist die] Aufhebung dessen, was niemals war ... (Ü-I.43.2:3).

Vergebung hebt auf diese Weise auf, was die Angst hervorgebracht hat, indem sie den Geist zum Gewahrsein Gottes zurückführt. Deshalb kann man Vergebung wahrhaft Erlösung nennen. Sie ist das Mittel, durch das Illusionen verschwinden (Ü-I.46.2:3-5).

All diese Aussagen drücken den grundlegenden Prozess der rechtgesinnten Berichtigung aus, die nichts Positives tut, denn was kann in einer Welt der Illusion positiv sein? Stattdessen hebt diese Berichtigung den Glauben auf, dass es eine Welt gibt, die problematisch ist, und bringt das Problem zu seiner Quelle im Geist zurück. Im Textbuch heißt es:

Das Ego sucht seine Probleme zu »lösen«, nicht an ihrer Quelle, sondern dort, wo sie nicht gemacht wurden. Auf diese Art sucht es zu garantieren, dass es keine Lösung geben wird. Der Heilige Geist hingegen will nur seine Lösungen vollständig und vollkommen machen, und somit sucht und findet er die Quelle der Probleme dort, wo sie ist, und dort hebt er sie auf. Und mit jedem Schritt in seinem Aufheben wird die Trennung mehr und mehr aufgehoben, und die Vereinigung wird näher gebracht (T-17.III.6:1-4).

Was daher aufgehoben wird, ist nicht das Problem, wie wir es erleben – ob in der Außen- oder der Innenwelt –, sondern die Entscheidung, die der Geist trifft, an die Wirklichkeit von Sünde und Schuld zu glauben. Rechtgesinnt sein heißt daher nicht, friedlich, liebevoll und freundlich sein, was lediglich Wirkungen sind. Was uns erlaubt, so zu sein – d. h. was die Ursache für Rechtgesinntheit bildet –, ist, dass wir die Wahl treffen, das Egodenksystem von Konflikt, Angriff und Hass aufzuheben. Wir machen uns die zehn Eigenschaften von Gottes fortgeschrittenen Lehrern in dem Maße zu eigen, in dem wir das Egodenksystem der Trennung und des Urteils verlernen (oder aufheben). So lesen wir am Ende von Jesu Erörterung, dass »Verlernen ... ›wahres Lernen‹ in der Welt« ist (H-4.X.3:7).

Tatsächlich sind die berühmten Worte des englischen Dichters William Wordsworth wahr, dass die Welt zu sehr bei uns ist, aber die scheinbare Macht, mit der sie unsere Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt, wird in dem Maße geschwächt, in dem wir erkennen, dass wir diejenigen sind, die an ihr festhalten. Wenn das Bedürfnis, uns gegen unsere nichtexistente Schuld zu verteidigen, nachlässt, sind wir zunehmend imstande, unseren Lehrer um Hilfe zu bitten, die Welt als das zu sehen, was sie ist: eine dysfunktionale Lösung für ein nichtexistentes Problem. Sobald uns die Torheit unserer einstigen Standpunkte dämmert, kann durch unser sanftes Lachen, das sich mit Jesu Lachen verbindet, die Welt »in das Nichts hinein entschwinden, aus der [sie] kam, wenn es für [sie] keine Verwendung mehr gibt« (H-13.1:2). Wir sind bereit für die Welt, die wir wirklich wollen: die wirkliche Welt des Lichts, des Friedens und der Freude.

Die Welt jenseits der Berichtigung

Ein Wunder ist eine Berichtigung ... Es hebt den Irrtum auf, doch versucht es nicht, über die Wahrnehmung hinauszugehen noch die Funktion der Vergebung zu überschreiten. So bleibt es innerhalb der Grenzen der Zeit. Doch ebnet es den Weg für die Rückkehr der Zeitlosigkeit und das Erwachen der Liebe, denn die Angst muss vor dem sanften Heilmittel, das es bringt, entschwinden (Ü-II.13.1:1,4-6).

Das Wunder ist daher das im Kurs angewandte gütige Mittel, um uns von der rechtgesinnten Wahrnehmung unseres falschgesinnten Denkens zur Einsgesinntheit Christi zu führen. Es bezeichnet die Reise, die bei unseren Wahrnehmungen der Welt beginnt und sie auf ihre Quelle im Geist zurückführt in der Einsicht, dass all diese Fehlwahrnehmungen – von der äußeren Welt der besonderen Beziehungen und der inneren Welt der Schuld – Abwehrmechanismen gegen die Entscheidung des Geistes sind, sich an seine Identität als das einsgesinnte Selbst zu erinnern.

Unter Jesu Führung haben wir die Versuche des Ego, seine Quelle im Geist zu verschleiern, indem es unsere Aufmerksamkeit auf die geistlose Welt der Körper, auf Probleme und unwirksame Lösungen lenkt, erfolgreich durchschaut. Die Entscheidung des Geistes für die Sünde, die als sehr wirklich wahrgenommen wird, liegt unter einer Welt vergraben, in der die Sünde wahrgenommen wird, nicht nur als Wirklichkeit, sondern als Merkmal und Ereignis in jedem außer uns selbst. Das schützt die Sünde vor der Veränderung, und die Schuld und Angst, die sie nach sich zieht, bleiben jenseits eines Heilmittels, das hilft. Die Verwirrung regiert unangefochten, doch ihre eigentliche Quelle im Geist bleibt hinter unseren äußeren Sorgen versteckt, was zur Folge hat, dass wir von Gott fordern, er solle uns Antworten auf unsere erfundenen Probleme geben.

Endlich findet in dieser hoffnungslosen Situation Jesu Stimme Gehör, die uns aufruft, die Welt anders zu betrachten – was die Rolle der Vergebung ist. Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Schuld im Geist zurück und erlaubt, dass diese aufgehoben wird, während ihre dunkle Illusion sanft im Licht der Wahrheit verschwindet. Wenn dem Ego der Glaube entzogen wird, verschwindet es, und unser Geist ist frei, die sanfte Arznei der Sühne zu wählen. Einen Augenblick lang bleiben die Gedanken der Trennung und der Sühne bestehen, und dann sind beide fort und lassen nur Gott und seinen einen Sohn übrig:

Das ist der Wechsel, den wahre Wahrnehmung bringt: Das, was nach außen projiziert wurde, wird innen gesehen, und dort lässt die Vergebung es verschwinden. Denn dort ist der Altar für den Sohn errichtet, und dort wird der Vater erinnert. Hier werden alle Illusionen der Wahrheit überbracht und auf den Altar gelegt. Was außen gesehen wird, muss jenseits der Vergebung liegen, denn es scheint für immer sündig zu sein. Wo ist Hoffnung, solange Sünde als außerhalb gesehen wird? Welches Heilmittel kann Schuld erwarten? Doch in deinem Geist gesehen, liegen Schuld und Vergebung für einen Augenblick beieinander, Seite an Seite, auf einem Altar. Dort werden schließlich Krankheit und ihr alleiniges Heilmittel in einer einzigen heilenden Helligkeit verbunden. Gott ist gekommen, um auf sein eigen Anspruch zu erheben. Die Vergebung ist vollständig (B-4.6).

Wir beenden diese Hymne an die Erlösung, indem wir Jesus ein weiteres Mal zu Wort kommen lassen, der uns bittet, seine Stimme zu hören und sie zu unserer zu machen, indem wir sie ausdehnen, um die Welt zu umfassen, die wir verurteilt hatten. Jetzt sind wir frei, und jetzt nehmen wir die Liebe wieder in Besitz, die wir einst weggeworfen hatten, als wir glaubten, unsere Sünde sei wirklich. Nichts bleibt in unserem von Heiligkeit erfüllten Geist als die Liebe und das Licht, die wir haben, ausdehnen und auf ewig sein werden:

O meine Brüder, wenn ihr nur den Frieden kennen würdet, der euch einhüllen und euch sicher und rein und lieblich im Geist Gottes halten wird, ihr könntet nur hineilen, ihm dort zu begegnen, wo sein Altar ist. Geheiligt werden euer Name und der seine, denn sie sind hier an diesem heiligen Ort verbunden. Hier beugt er sich hinab, um euch zu ihm emporzuheben – hinaus aus Illusionen in die Heiligkeit; hinaus aus der Welt und in die Ewigkeit; hinaus aus aller Angst und der Liebe zurückgegeben (B-4.8).

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